Was ist das Yogasutra? Wahrscheinlich habt ihr beim ersten Lesen des Begriffs ähnlich gedacht wie ich? Aber falsch gedacht! Hinter dem Begriff Yogasutra verbergen sich die sechs indischen orthodoxen Philosophien des Yogas. Yogasutra ist sozusagen die Bibel des Yoga und eine der ältesten Überlieferungen. Erfahrt hier, was sich genau hinter Yogasutra verbirgt.
[amazon box=”3899012410″ template=”horizontal”]Inhaltsverzeichnis
1Was ist das Yogasutra und wer hat’s erfunden?
Patanjali, der Urvater des Yoga, war ein indischer Gelehrter und Verfasser des Yogasutra. Viel weiß man über Patanjali nicht, ausser das er ein Mischwesen war, denn so wird er zumindest in der indischen Kunst dargestellt. Sein Unterkörper ist eine Schlange, der Oberkörper ein Mann. Sein Kopf wird ebenfalls von einer Schlange gekrönt. Angeblich ist er eine Inkarnation aus der Schlange Shesha. Seine Mutter hatte um ein Kind gebeten, woraufhin ihr eine Schlange in die Hand gefallen ist. Aus dieser ist Patanjali gewachsen.
Sein Name setzt sich aus den Wörtern Pat (Gefallen) und Anjali (Gebetsgeste mit gefalteten Händen) zusammen. Man weiß bis heute nicht, wann Patanjali gelebt hat, geht aber vom 2. Jahrhundert vor Christus und 4. Jahrhundert nach Christus aus.
Neben dem Yogasutra soll er angeblich noch eine Grammatik und eine ayurvedische Schrift verfasst haben, was jedoch bis heute umstritten ist.
„Mit gefalteten Händen verneige ich mich vor Patanjali, dem vortrefflichen Wildasketen, der die Unreinheit des Geistes durch Yoga, der Sprache durch Grammatik, des Körpers durch Heilkunde ausgemerzt hat.“ – die Hymne des Patanjali
2Was ist das Yogasutra und was steckt hinter Yogasutra?
Yoga ist schon uralt und hat sich bis heute immer wieder verändert. Wann Patanjali das Yogasutra entwickelt, hat ist ebenfalls unklar, da die indische Geschichtsschreibung weniger detailliert ist, als die westlichen Aufzeichnungen. Es wird geschätzt, dass es vor ca. 4000 Jahren entstanden sei.
Was ist das Yogasutra? Das Yogasutra gilt als Leitfaden der Yogaphilosophie und wird nicht gesungen.
Es setzt sich aus 195 Sanskrit Versen in 4 Kapiteln zusammen und liefert gebündelt die Essenz des Yogaweges. Das Yogasutra wurde immer wieder kommentiert und neu übersetzt, da es sehr frei niedergeschrieben wurde. Die Essenz der Schriften ist, dass wir die tiefen Leiden in unserem Leben nicht durch die Umstellung oder Anpassung der äußeren Gegebenheiten verringern können. Entscheidend ist eher, was wir mit unserem Geist tun. Das denkende Selbst muss erforscht und verstanden werden. Das denkende, meinende Selbst wird in den Schriften als Citta benannt und umfasst unseren kompletten mentalen Bereich. Das Yogasutra stellt Yoga als achtgliedrigen Weg dar und trägt deshalb den Namen Ashtanga Yoga.
Die 8 Glieder sind:
- 1. Yama (Moral und Ethik)
- 2. Niyama (Selbstdisziplin)
- 3. Asana (Yogastellungen)
- 4. Pranayama (die Kontrolle des Atems)
- 5. Pratyahara (Rückziehen sowie Kontrolle der Sinne)
- 6. Dharana (Konzentration)
- 7. Dhyana (Meditation)
- 8. Samadhi (die Verwirklichung des höheren Selbst)
Die einzelnen Glieder bilden eine Einheit und müssen nicht nacheinander praktiziert werden. Vielmehr geht es darum, einen ganzheitlichen Übungsweg zu entwickeln, um am Ende die vollkommene Ruhe des Geistes zu erlangen.
Das Bewusstsein ist konzentriert, wenn die vergehenden und auftauchenden Gedanken genau gleich sind. – Patanjali
Was ist das Yogasutra? Die einzelnen Kapitel im Detail:
- Im ersten Kapitel (Samadhi Pada) des Yogasutra wird Yoga als ein Zustand definiert, in dem das CITTA eine vollkommene Stille einnimmt, um sein wahres Selbst erkennen zu können.
- Das zweite Kapitel (Sadhana Pada) befasst sich mit den Leiden, deren Ursachen und Wirkungsweisen. Die Leiden werden als Klesas bezeichnet, welche unser Denken und Handeln steuern.
- Im dritten Kapitel (Vibuthi Pada) beschreibt, wie der Übende zwischen dem denkenden Selbst und dem reinen, erkennenden Bewusstsein unterscheiden kann. Die Erkenntnisse werden klar, es findet keine Verwechslung mehr statt.
- Das vierte Kapitel handelt von der Befreiung. Das Yogasutra führt Merkmale auf, welche für eine dauerhafte persönliche Veränderung signifikant sind.
Hat man das reine, erkennende Bewusstsein erlangt, sieht man die Wirklichkeit wie sie wirklich ist, unabhängig von äußeren Einflüssen.
Das Yogasutra wurde zwar von muslimischen Gelehrten ins Arabische übersetzt, war jedoch außerhalb Indiens kaum bekannt. Die Übersetzung in westliche Sprachen wurde erst durch das aufkommende Interesse in Europa und Amerika populär. Ich habe hier die Inhalte nur kurz angerissen. Wer sich jedoch tiefer mit der Lehre beschäftigen möchte, dem empfehle ich die Übersetzung von Sigmund Feuerabendt „Das Yoga-Sutra – Die 196 Merksprüche des Ur-Yoga“.
3Yogasutra im Alltag anwenden
Auch wenn es auf den ersten Blick schwer erscheint, ist es gar nicht so kompliziert, das Yogasutra im Alltag anzuwenden. Es fungiert ähnlich wie die 10 Gebote, welche wir, Glaube hin oder her, irgendwo alle in uns verankert haben. Auch wenn unser Alltag oft hektisch ist und nicht viel Zeit für ausgiebige Yogaübungen bietet, ist es doch nicht abwegig, kleinere Einheiten einzubauen, sowie achtsam und bewusst zu handeln.
Die 5 Yamas im Yogasutra umfassen das Handeln des Menschen. Dazu zählt:
- nicht verletzen (Ahimsa)
- nicht stehlen (Asteya)
- Wahrhaftigkeit (Satya)
- Enthaltsamkeit (Brahmacharya)
- nicht annehmen von Geschenken (Aparigraha).
Was meint das genau? Man sollte keine Gewalt gegenüber Menschen und Tieren anwenden. Ebenfalls sollte man nicht lügen und nicht stehlen. Enthaltsamkeit wird oft direkt mit dem Zölibat gleichgesetzt. Damit ist aber auch gemeint, dass man sich nicht nur von seinen Sinnen leiten lassen und immer mal wieder meditativ in sich gehen sollte. Natürlich kann man im Alltag Geschenke annehmen. Mit Aparigraha ist eher gemeint, dass man sich nicht bestechen lassen und weniger Verlangen nach Besitz haben sollte.
Dann gibt es noch die 5 Niyamas im Yogasutra:
- Reinheit (Saucha)
- Zufriedenheit (Santosha)
- Askese (Tapas)
- Selbststudium (Swadhyaya) und die Hingabe zu Gott (Ishvarapranidhana).
Kurz gefasst meinen diese, dass man bescheiden ist, eine gewisse Kontrolle über sich hat, um meditieren zu können, sich mit spirituellen Schriften auseinandersetzt und sich Gott hingibt, sofern man an ihn glaubt.
Ihr seht, viele Dinge sind euch wahrscheinlich schon Alltag bekannt, ohne dass ihr das Yogasutra gelesen habt. Wenn ihr mehr zum Thema Yogasutra im Alltag lernen möchtet, dann empfehle ich „Die Yoga-Sutras im Alltag leben“ von Eckart Wolz-Gottwald.
Interessanter Artikel, danke!
Namaste Robin,
wir behandeln gerade das Yogasutra in meiner Ausbildung zur Yogalehrerin, zu der ich mich nach
15 Jahren Yogapraxis entschlossen habe. Ich danke Dir sehr für die mir hilfreiche Übersetzungsempfehlung!
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