Die westlichen Gesellschaften können sich von den spirituellen und philosophischen Praktiken des Nahen und Fernen Ostens noch etwas abschauen: Im Kern geht es dort um Entschleunigung und darum, bei sich selbst zu bleiben, das wahre Selbst zu finden und zu fördern, und nicht um das Dienen für und an Fremdsystemen in wirtschaftlichen Prozessen. 90% der Arbeitnehmer sind in ihren Jobs unzufrieden, wie Studien belegen. Und das, obwohl wir Deutschen für unsere Sekundärtugenden bekannt sind: Fleiß, Disziplin und Pünktlichkeit.
Immer mehr Menschen nehmen zu meiner großen Freude an Mindstyle-Kursen in Yoga, Tai-Chi oder Qigong teil, um, wie es so schön heißt, ETWAS FÜR SICH ZU TUN. Das ist ein guter Gedanke, denn nach dem Prinzip der Selbstfürsorge dienen wir anderen Menschen am besten, wenn wir zuerst uns selbst gut dienen. Klassisches Beispiel sind hier die Sauerstoffmasken in Flugzeugen, die bei einem Druckverlust in der Kabine automatisch ausgeworfen werden. Hier hilft man erst sich selbst, dann Mitreisenden.
1Savasana ist nicht das Ende
Schön und erfüllend wird es gerade dann, wenn Yoga nicht mit Savasana, der Endentspannung, endet und wir möglichst viele Früchte unserer Yoga-Praxis ernten, um sie so in den Alltag zu integrieren.
In Savasana ist der Geist hellwach, der auf dem Rücken liegende Körper dafür im absolut bewegungslosen Zustand. Eine Übung, die manche auch als die schwierigste der Asanas bezeichnen, da die Konfrontation mit aufkommenden Gedanken und Gefühlen hier am ehesten zuschlagen kann. Themen, die dein Unterbewusstsein beschäftigen und von dir gesehen werden wollen, können sich hier leichter zeigen. So gibt man sich in dieser Yoga Asana den Raum in sich zu spüren und eigene Baustellen anzuschauen, was im getakteten Alltag kaum möglich und gewünscht ist.
Ein ruhiger Geist lässt jedoch eher Intuition als Angst zu. So gesehen, bietet uns die Yogastunde einen Anreiz und Impuls, unser Bewusstsein anzuregen und den Anwendungsbezug für das tägliche Leben und Miteinander zu schaffen.
So kann es sein, dass der von dir erzeugte Frieden sich auch auf deine Mitmenschen überträgt und du achtsamer mit dir selbst und anderen Lebewesen umgehst.
Savasana bietet uns zum Ende der Yogastunde die Möglichkeit, das Erlebte erfahrbar werden zu lassen und so heilende Transformation zu ermöglichen.
Bewusst zu spüren – das ist etwas, was wir im Alltag deutlich vernachlässigen, da es hier darum geht, zu funktionieren und die Erwartungshaltungen anderer zu erfüllen. Doch diese entsprechen oft nicht unseren individuellen Bedürfnissen.
Nach einer Yoga-Stunde sollte die Tiefenentspannung nie fehlen, sonst kann die erweckte Lebensenergie (Prana) in Unruhe und Nervosität umschlagen. Während der Tiefenentspannung kann sich das Bewusstsein ausdehnen und du kannst feinstofflich spüren, dass du mehr als deine körperliche Hülle bist.
2Shirsasana – die Königin der Asanas
Shirsasana, der Kopfstand, gilt im Yoga als „Verjünger“ schlechthin. Ich habe den vollen Kopfstand das erste Mal zu Beginn meiner Yogalehrerausbildung mit viel Zuspruch meiner Ausbilderin erfolgreich versucht. Nach tagelangen Vorübungen und Training der Arm-, Schulter- und Halsmuskeln fühlte ich mich bereit. Mein größter Gegner war die Angst: Angst zu fallen, Angst sich zu verletzen und Angst vor dem Perspektivenwechsel.
Doch bald gelang es mir, der Angst liebevoll mit Mut entgegenzutreten. Die geistige Wirkung des Kopfstands beschreibt Yoga Vidya wie folgt:
„Viele Gehirnfunktionen, wie Gedächtnis, Konzentrationsvermögen, kreatives Denken, geistige Klarheit, werden erhöht. Die Asana entwickelt Mut, Konzentration, Willenskraft, Gleichgewicht und Koordination.“
Sind das nicht hervorragende Eigenschaften, die uns im realen Leben weiterbringen und von denen unsere Mitmenschen ebenfalls profitieren?
Und was passiert, wenn jemand den Kopfstand nicht machen will oder kann? Kein Problem für Yoga, denn die indische Bewegungskunst bietet in ihrer vielfältigen Anpassbarkeit für jeden eine Lösung, sei es in Form des Hundes, des Hasen, des Delfins oder des halben Kopfstandes. Alle Umkehrhaltungen helfen unsere Sicht auf die Dinge zu ändern und den Blickwinkel zu wechseln.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass der dabei entwickelte Mut auf andere Situationen im Leben übertragbar ist: Mein zu dieser Zeit angekratztes Selbstvertrauen wurde gestärkt, und etwas in mir sagt, dass noch viel mehr gehen kann, als wir selbst für möglich halten, wenn es uns gelingt, unsere Angst in Mut zu verwandeln. Hier geschieht ein Wachsen, hier wird die Seele genährt und am Leben erhalten!
Hallo lieber Robin,
du schreibst oben:
“…Nach tagelangen Vorübungen und Training der Arm-, Schulter- und Halsmuskeln fühlte ich mich bereit.”
Welche Übungen hast du gemacht? Das würde mich sehr interessieren.
Ich praktiziere recht regelmäßig Yoga und möchte in diesem Bereich des Kopfstandes gerne weiter kommen.
Das was gefühlt noch fehlt ist einfach die Kraft im Bereich Arme und Schulter (merke ich auch beim Seitstütz wenn es darum geht das obere Bein aufzustellen bzw. anzuheben und dann nach vorne zu bringen). Hier ist noch Potenzial nach oben da;-))
Ich freue mich auf deine Antwort und sende dir vlg von Herzen in Liebe
Namasté, Nicole
Liebe Nicole,
gute Übungen für die Stärkung der Handgelenke, Arme und Schultern sind z.B. Bakasana, die Krähe und Adho Mukha Svanasana, der Hund (wird auch hier im Portal bei den Yoga Übungen erklärt 🙂
Auch der Unterarmstand (Pincha Mayurasana) eignet sich für den Aufbau der Muskeln in diesem Bereich, ist aber etwas fortgeschrittener. Den Delphin (Shishumarasana) kannst du anstelle davon auch gut üben.
Wenn es konkret um die Vorbereitung des Kopfstandes geht, versuch mal langsam in die Position des Hasen (Shashankasana) zu gehen. Hier gewöhnst du deinen Kopf langsam an etwas mehr Körpergewicht.
Ich hoffe, ich konnte dir ein paar Anregungen geben 🙂
Sag gerne mal Bescheid, wie sich das für dich anfühlt.
Much Love & Light
deine Katharina